Grenznutzen erreicht?

STUTTGART. Die von der Europäischen Union geplante Abgasnorm „EU7“ könnte Autos deutlich teurer machen, ohne dass die Luft in den Städten besser wird. Auf einer von mir moderierten Podiumsdiskussion während des 21. Stuttgarter Symposiums sagte Martin Berger, Forschungschef des Automobillieferers Mahle: „Technisch unmöglich ist es wohl nicht, die Grenzwerte zu erfüllen, aber es macht den Antriebsstrang teurer.“ Autos mit Verbrennungsmotor könnten aufgrund der aufwändigen Technik ebenso teuer werden wie Elektrofahrzeuge. Ulrich Eichhorn, der den Volkswagen-Konzern auf der Nationalen Plattform „Zukunft der Mobilität“ repräsentiert, sprach von einer doppelten Ironie. Einerseits müsse die Industrie viel Geld in einer auslaufenden Technologie investieren, andererseits würde sich die Luftqualität in den Städten nicht verbessern. „Ein Pkw mit dem Abgasstandard EU7 ist im Normalbetrieb nicht sauberer als ein Fahrzeug, das den EU6-Standard einhält“, sagte Eichhorn. Tatsächlich ist ein entscheidender Unterschied zwischen geltender und geplanter Norm die Frage, ob der Schadstoffausstoß im Durchschnitt unter dem Grenzwert liegen muss oder ob dieser immer und überall gilt – also etwa auch beim Anfahren am Berg mit einem schweren Wohnwagen. Selbst Christian Hochfeld, Chef des Berliner Thinktanks Agora Verkehrswende, wollte die EU7-Planung nicht uneingeschränkt verteidigen. „Wir sollten uns eher darauf konzentrieren, wie wir die Elektromobilität voranbringen und nicht zu viel über Luftqualitätsstandards diskutieren.“ Hochfeld verwies darauf, dass das auch der Industrie nutze: 40 Prozent der Autoexporte ginge in Märkte, die sich zur Klimaneutralität bekennen. Nicole Hoffmeister-Kraut, amtierende Wirtschaftsministerin des Landes Baden-Württemberg ging nicht direkt auf die Abgasnorm ein, merkte jedoch an: „Die Automobilindustrie ist der stärkste Industriezweig nicht nur bei uns im Land, sondern in ganz Europa.“ Es sei für den gesamten Kontinent wichtig, wie man die Transformation gestalte. Eine CO2-Steuer hält die Ministerin dabei für das geeignete Instrument.

Mein Fazit: Immer strengere Abgasgrenzwerte, das war in der Vergangenheit der richtige Weg. Doch wie bei allen Technologien sinkt irgendwann der Grenznutzen. Es sind nur noch wenige Messstationen in Deutschland, an denen die EU-Immissionsgrenzwerte überschritten werden. Mit der weiteren Flottenerneuerung wird sich das Thema ohne politisches Zutun erledigen. Lenken wir die Investitionen auf das richtige Thema: Wie wir das Klima schützen und trotzdem mobil bleiben können.

Live aus dem Theaterhaus: Podiumsdiskussion auf dem 21. Stuttgarter Symposium

Übrigens: Die Podiumsdiskussion hat auf der Bühne des Theaterhauses in Stuttgart stattgefunden. Zwei Teilnehmer waren per Videokonferenz zugeschaltet, alle anderen im Saal, auch die Techniker direkt vor Beginn der Veranstaltung getestet. Die Übertragung erfolgte für die registrierten Tagungsteilnehmer im Videostream. So kann es gehen! 

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